Argumentation gegen die Leistung
Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung lässt sich in einem Kommentar über die Zustände bei der deutschen Studienplatzvergabe aus und bemängelt, dass in Zeiten doppelter Abiturjahrgänge und durch das Aussetzen der Wehrpflicht die durch das Grundgesetz geregelte Berufsfreiheit praktisch ausgehebelt wird und plädiert für eine Überprüfung der Vergabemethoden durch das Bundesverfassungsgericht. Eine gewagte These; sind die Hürden für eine freie Berufswahl zwar durch die genannten Gründe schwieriger geworden, doch sind dies nur Parameter eines ansonsten erfolgreichen Systems.
Die Studienplatzvergabe nach Notendurchschnitt des Abiturs ist in Ermangelung weiterer Kriterien der einzig sinnvolle Lösungsansatz. Die Bescheinigung von Leistung dient – insbesondere durch die Einführung eines einheitlichen Abiturs – der Vergleichbarkeit von Schulabgängern quer durch die Republik. Ob gesteigertes Interesse an einzelnen Studiengängen oder besonders starke Jahrgänge – all dies sind Pseudogründe, die nicht für eine Aufweichung der geltenden Regelungen ins Feld geführt werden können.
Schultz weist die Möglichkeit aus, dass insbesondere in den Bereichen Medizin und Psychologie selber Einser-Absolventen nicht mehr „einfach so“ den Beruf ihrer Wahl erlernen könnten, da der jeweilige Numerus Clausus dies unter Umständen nicht zulasse, und klagt die Bundesländer an sich aus der Notwendigkeit weitere Studienplätze zu schaffen zu winden. Eine Kritik, die sicherlich überzogen ist, denn: Ein Ärztemangel (strukturell ja, in absoluten Zahlen nein) herrscht in Deutschland nicht. Es fehlt schließlich nicht an Studenten und Absolventen.
Unglaublich scheint vielmehr die Aussage, dass die im Grundgesetz verankerte Berufsfreiheit durch die bestehende Situation nur noch in der Theorie bestehen würde. Für einen Journalisten scheint dies vollkommen undurchdacht, ist die Grenze zwischen Theorie und Praxis doch seit jeher eine Frage der Definition. Schließlich wird niemand durch einen NC an der freien Berufswahl gehindert; es steht jedem frei, einen entsprechend notwendigen Schulabschluss zu erreichen. Ein solches Argument ins Feld zu führen schürt anarchische Zustände, sollte man diesen weiterverfolgen. Jeder muss alles machen dürfen, unabhängig jeweiligen Eignung.
Für eine sinnvolle Neuordnung der Studienplatzvergabe mag es viele Gründe geben; schließlich ist nicht jeder Einser-Schüler auch ein hervorragender Herzchirurg. Doch es hätte hier an Schultz gelegen, sich gedanklich mit den möglichen Parametern einer solchen Restrukturierung auseinander zu setzen. So verpufft sein Kommentar in einer – wahrscheinlich ungewollten – Argumentation gegen die Leistung.