Flamme der Ernüchterung
Größer, besser, einmalig. Wenn es um die Außendarstellung geht versucht stets jeder neue Maßstäbe setzen zu können. In China ist es nicht anders. Und so wird der längste Fackellauf aller Zeit zu einer 130.000 km langen Farce; einem Versteckspiel ähnlich dem legendären Brettspiel „Scotland Yard“. Ab und an taucht die Fackel mit dem olmpischen Feuer des friedliebenden Kräftemessens auf, nur um sofort wieder unterzutauchen – die Häscher können sich jedoch neu formieren und hoffen auf die nächste Gelegenheit, den großen Fang zu machen.
Während man zu Beginn des gesamten Fackellaufs noch Angst um dieses einmalige Symbol des politikfreien Aufeinandertreffens Gleichgesinnter haben musste, so haben die Veranstalter nun alles im Griff. Überfälle sind praktisch ausgeschlossen, denn der Lauf findet nun am liebsten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nach Angaben der WELT Kompakt vom letzten Freitag sorgten in Neu Delhi rund 15.000 SIcherheitskräfte auf einer drei Kilometer langen Strecke für das körperliche Wohlbefinden von Flamme, „ausgesuchter indischer Schulkinder“ sowie Personen mit besonderer Einladung. Von einem solchen Personenandrang pro Kilometer – und das unter Ausschluss der Öffentlichkeit – träumt so manche große Marathonveranstaltung.
Das Problem sind dabei meiner Ansicht nach gar nicht die Proteste gegen China. Und auch nicht das Versteckspiel mit dem olympischen Feuer, über das man sich im Idealfall nur lustig machen kann – zu traurig ist die Situation für sich betrachtet.
Das eigentliche Problem ist, die olympischen Spiele an ein Land zu vergeben, in dem Glauben es würde allein dadurch zu einem erwünschten moralischen Verhalten gezwungen. Dem ist aber nicht so. China ist mächtig genug, die olympischen Spiele zur Außendarstellung ihres eigenen Systems zu benutzen. Es fühlt sich beileibe nicht unter Druck gesetzt, den in sie gesetzten Hoffnungen auf ein Öffnen oder Angleichen an westliche Vorstellungen gerecht werden zu müssen.
Und dies ist kein Einzelfall. Schließlich wurden auch schon Friedensnobelpreise in dem Glauben vergeben, den Träger dieser Auszeichnung so zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen – im Nachhinein ein schwerwiegender Fehler.
China wird seine olypmischen Spiele stoisch durchziehen. Die eigene Bevölkerung wurde durch die chinakritische Berichterstattung im Ausland ohnehin schon unter dem Banner Chinas vereint. Und wenn die Sportler anfangen für ihre jeweiligen Staaten Medaillen zu erkämpfen, ist alle Kritik vergessen. Was zählt, ist auf’m Platz.