Deutscher Extremismus
Die Freiheit der Meinung wird in Deutschland zwar vom Grundgesetz geschützt, aber hätten die Väter dieses Paragraphen nicht so etwas wie eine Qualitätsklausel einbauen können? Oder an irgendwelche Bedingungen knüpfen: zum Beispiel, dass man seine Meinung nicht ständig ändern darf? Manche Zeitungen kämen da glatt in Bedrängnis. Gerade jetzt zur EM übertreffen sich die Angesprochenen mal wieder selbst.
Sonntag, 8. Juni 2008: Deutschlands Nationalmannschaft bestreitet das erste Vorrundenspiel bei der Europameisterschaft. Mit teils überraschender Aufstellung zeigt das Team gegen die Auswahl von Polen ein gutes Spiel. Gewinnt durchaus verdient mit 2:0.
Was folgt ist ein Lobgesang. Es sei zwar doch noch nicht alles perfekt gewesen, man habe aber durchaus einen Anwärter auf den Titel gesehen; so zumindest der Konsens der deutschen Medienlandschaft. Zufrieden mit dem Turnierauftakt schließt sich des Volkes Meinung den journalistisch geschulten Vorrednern an. Denn die Statistiker wissen: ein Auftaktsieg wurde stets erreicht, wenn der Titel in der Folge geholt wurde.
Nur vier Tage später: Deutschland spielt mit der gleichen Aufstellung ein schlechtes Spiel und verliert verdientermaßen mit 2:1 gegen Kroatien. Und was passiert? Der Titelaspirant ist auf einmal nur noch die im Vorfeld überschätzte Kopie einer der vorigen EM-Mannschaften, die sich nach der Vorrunde bereits verabschieden musste. Dass Taktik und Aufstellung falsch waren wusste man ja auch schon vor dem ersten Spiel. Und natürlich wird auch schon herumgerechnet, wie ein Ausscheiden trotz Auftaktsieg noch machbar sein könnte.
Was stimmt mit den Deutschen eigentlich nicht? Fußball ist ja nicht das einzige Thema bei dem es entweder nur Begeisterung oder totale Depression gibt. Bleibt es im Sommer mal einige Tage besonders warm wird direkt von Klimawandel, Treibhauseffekt und nahendem Weltuntergang geschrieben. Zum Glück gleicht sich dies durch Meldungen über die herannahende nächste Eiszeit wieder aus, wenn über Weihnachten ein paar Zentimeter Schnee liegen. Oder Pisa-Panik machen, aber auf gar keinen Fall Leistung verlangen, die bewirken würde, dass nicht jeder, der seinen Namen richtig buchstabieren kann, damit auch schon das Abitur bekommt. Das kann man doch nicht mehr als ernsthafte Meinungsbildung bezeichnen.
Aber zügige Meinungswechsel und Panikmache sind wohl gut für Auflage oder Quote. Zu hektisch ist doch die heutige Welt als das man mittels differenzierender, ausholender Berichterstattung die Menschen fesseln könnte. Durch „schwarz-rot-geil“ lassen sich einfach mehr Menschen erreichen als mit dem Feuilleton der FAZ – es sei denn auf dem zweiten Bildungsweg per Öko-Toilettenpapier. Und egal was passiert, bei der BILD wird man immer eine Erklärung dafür finden, warum es anders gekommen ist, als man es zuvor von gut unterrichteten Kreisen erfahren und der Welt mitgeteilt hatte.